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Aktuelles


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08.01.2021

Gewerbemietrecht: Mietanpassung in der Pandemie?

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 2020 hat der Bundestag im Rahmen der erneuten Betriebsschließungen klargestellt, dass ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage bei eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit von Gewerbeimmobilien vermutet wird. Die vom Bundestag beschlossene Regelung im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) lautet:

Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.


Auf den ersten Blick klingt der Beschluss für den Laien so bahnbrechend als hätte der Gesetzgeber entschieden, dass jedem Gewerbemieter ein Mietanpassungsrecht im Wege der Störung der Geschäftsgrundlage zusteht oder zumindest vermutet wird. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber nur geregelt hat, dass die Anwendung des § 313 I BGB nicht bereits mit der pauschalen Verneinung der schwerwiegenden Veränderung der die Geschäftsgrundlage bildenden Umstände abgelehnt werden kann. Im Rahmen des § 313 BGB ist weiter erforderlich, dass eine Partei den Vertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage oder nicht so abgeschlossen hätte. Weiter ist erforderlich, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag für den Mieter unzumutbar ist. Diese Punkte hat der Gesetzgeber bewusst nicht geregelt. Die Entscheidung darüber wird den Gerichten überlassen, da diese Punkte von Fall zu Fall zu bewerten sind.

Eine weitere beschlossene Gesetzesänderung in diesem Zusammenhang sieht vor, dass Mietprozesse im Zusammenhang mit Corona bedingten Beschränkungen oder Schließungen vorrangig behandelt werden sollen.

Hierzu wurde im Gesetz folgende Vorschrift eingefügt:

§ 44 EGZPO Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.


Um zu beurteilen, was sich nun für die Gewerbemietparteien ändern könnte, lohnt ein Ausblick auf die bisherige Rechtsauffassung der Gerichte:

Bisher folgten überwiegend die Gerichte der auch hier vertretenen Auffassung, dass die Pflicht zur Mietzahlung während eines Lockdowns für Einzelhandelsflächen weiter bestehen bleibt. Urteile hierzu gibt es unter anderem vom Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, 5 O 66/20), Landgericht Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, HK O 17/20), Landgericht Frankfurt (Urteil v. 02.10.2020, 2-15 O 23/20) und dem Landgericht Stuttgart (Urteil v. 19.11.2020, 11 O 215/20). Lediglich das Landgericht München I (Urteil v. 22.09.2020, 3 O 4495/20) und das Landgericht Mönchengladbach (Urteil v. 02.11.2020, 12 O 154/20) haben mit unterschiedlicher Begründung eine teilweise Mietreduktion bejaht.

Das Landgericht München I hatte dabei einen Mietmangel anerkannt, obwohl nach überwiegender Ansicht in der Rechtsliteratur und auch der übrigen Gerichte ein Mangel verneint wurde. Die Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie knüpften nicht an die Beschaffenheit der Mietsache an, sondern beziehen sich auf den Publikumsverkehr und die damit einhergehende Begünstigung für das Infektionsgeschehen. Die Schließungsanordnungen stünden nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit der Mietsache. Dieser Auffassung der Gerichte ist zuzustimmen. Es ist etwas anderes ob ein Objekt durch Mängel wie einer defekten Heizung, Schimmel oder ähnlichem nicht oder beschränkt nutzbar ist oder behördliche Anordnungen die Nutzung erschweren. Der Vermieter erfüllt nämlich weiterhin seine Pflicht, die Mieträume in einem dem Vertragszweck geeigneten Zustand zu überlassen. Würde man einen Mietmangel bejahen, käme man zu weiteren ungeklärten Fragen. Wie verhält es sich dann bei Online- und Außer-Haus-Verkäufen? Würde auch die Beschränkung hinsichtlich der sich im Laden aufhaltenden Besucher einen Mietmangel darstellen?

Das Landgericht Mönchengladbach hat eine Störung der Geschäftsgrundlage und deren übrigen Voraussetzungen anerkannt und eine Mietreduktion um 50 % anerkannt. Auch hier wurde in der Rechtsliteratur und von den übrigen Gerichten bisher eine Anpassung der Mieten im Wege des Wegfalls der Geschäftsgrundlage überwiegend abgelehnt. Zwar könnte nach verbreiteter Auffassung eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen, was der Gesetzgeber nun festgestellt hat, allerdings ist weiter erforderlich, dass der Mieter darlegen kann, dass eine abweichende Regelung bei Kenntnis der Parteien getroffen worden wäre und dass das Festhalten an den Regelungen des Mietvertrages zu den aktuellen Konditionen zu einer Unzumutbarkeit für eine der Parteien führt. Diese beiden Punkte bleiben von der gesetzlichen Regelung unberührt und sind im Einzelfall vom Mieter darzulegen und zu beweisen.

So entschied das Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, 5 O 66/20), dass es im Ergebnis dahin gestellt bleiben kann, ob § 313 Abs. 1 BGB im dort zu entscheidenden Fall überhaupt anwendbar ist und ob die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, da zumindest eine Unzumutbarkeit für die Beklagte am Festhalten des Vertrages nicht festgestellt mit folgender Begründung nicht festgestellt werden kann:

„Maßgeblich ist dabei die Frage, inwieweit die eingetretene Veränderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei fällt, wie nahe diese den Veränderungen steht und inwieweit es der betroffenen Partei zumutbar oder überhaupt möglich gewesen wäre, entsprechende Vorkehrungen zu treffen (Zehelein, Infektionsschutzbedingte Schließungsanordnungen in der COVID-19-Pandemie, NZM 2020, 390) oder sich im Zeitraum der Schließung anderweitige Einnahmequellen zu verschaffen, bspw. Onlinehandel, etc. (Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169). Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt dabei grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache (BGH, Urt. v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714; siehe oben). Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche Risikoverteilung bzw. -übernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsame Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urt. v. 16.02.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714). Das Maß der Unzumutbarkeit ist damit letztlich nur bei substantiierter Darlegung des Mieters erreicht, in der eigenen Existenz gefährdet (vgl. Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJ 2020, 185) oder jedenfalls in einem solchen Ausmaß wirtschaftlich betroffen zu sein, dass ein weiteres Festhalten am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als unzumutbar erscheinen lässt.“

Danach hätte die jetzige Gesetzesänderung keine Auswirkung auf die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg gehabt.

Entsprechendes gilt auch für die Begründung des Landgerichts Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, HK O 17/20), welches jedoch nur Aussagen für die Betriebsschließungsdauer von 1 – 2 Monate hat:

„Unter Würdigung all dieser vorgenannten Umstände kommen daher Anpassungen jedenfalls nicht bereits ab dem ersten oder zweiten Monat der Auswirkungen der behördlichen Beschränkungen in Betracht. Einem Unternehmer ist es vielmehr zumutbar, auch auf unvorhergesehene Umsatzeinbußen jedenfalls kurzfristig auf andere Weise zu reagieren, als seine eigenen Vertragspflichten zu vernachlässigen. Erst wenn das Festhalten an dem Vertrag zu wirklich untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde, kann auch eine Anpassung des Vertrages erforderlich werden (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1993 – VII ZR 24/92; 26.11.2014 – VII ZB 666/13, 29.04.1982 – III ZR 154/80).

In diesem Zusammenhang spielen entgegen der Auffassung der Beklagten auch die von Klägerseite dargelegten und unstreitig gebliebenen sonstigen Umsatzzahlen der Beklagten durchaus eine gewichtige Rolle. Ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen kann schwankende Umsatzzahlen und kurzzeitige Umsatzeinbußen regelmäßig verkraften, ohne dass insoweit jeweils gleich Vertragsanpassungen geboten wären. Davon unabhängig darf bei der Interessenabwägung nie aus dem Auge verloren werden, dass bei Mietverträgen der Mieter das Risiko trägt, dass er die gemietete Sache, welche zur Nutzung grundsätzlich geeignet ist, wie beabsichtigt verwenden kann. Ihn trifft grundsätzlich das Risiko, mit dem Mietobjekt entsprechenden Gewinn zu erzielen. Im vorliegenden Fall haben sich die behördlichen Beschränkungen und die damit verbundenen Einkommenseinbußen auf einen begrenzten Zeitraum bezogen, der die Zumutbarkeitsgrenze in diesem dargestellten Sinne noch nicht überschritten hat.“


Ähnlich entschieden auch das Landgericht Frankfurt (Urteil v. 02.10.2020, 2-15 O 23/20) und das Landgericht Stuttgart (Urteil v. 19.11.2020, 11 O 215/20), sodass die Gesetzesänderungen auf die bisherige hier dargelegte Entscheidung keinen Einfluss hätte.

Fazit: Durch die Neuregelung ist nicht entschieden, dass dem Vermieter ein Recht auf Mietzinsanpassung zusteht. Eine Entscheidung hierüber obliegt weiterhin den Gerichten, welche regelmäßig auf die Dauer der Betriebsschließung, das Geschäftsrisiko des Mieters und die wirtschaftliche Lage des Mieters abstellten. Im Streitfalle sollen die Verfahren vorrangig behandelt werden, um beiden Parteien möglichst große Rechtssicherheit zu geben. Paradoxerweise ist die Rechtsunsicherheit durch die Änderungen gerade eher größer geworden. Während es in der Vergangenheit überwiegende Ansicht war, dass die Mieter weiter zur Mietzahlung in der vereinbarten Höhe verpflichtet sind, ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte im Streitfalle zukünftig zumindest eher als in der Vergangenheit dazu neigen werden, auch die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der Störung der Vertragsgrundlage zu bejahen und eine Vertragsanpassung dem Mieter zusprechen, wenn dieser überzeugend darlegen kann, dass das Festhalten an den aktuellen Mietbestimmungen unzumutbar ist. Ob eine Unzumutbarkeit des Mieters vorliegt, kann der Vermieter in der Regel schwer erblicken. Welche staatlichen Hilfen der Mieter erhält, wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist, dürfte in der Regel nur im Klageverfahren preisgegeben werden. Genau diesen Umstand werden nun viele Unternehmen nutzen, um eine Mietanpassung gegenüber dem Vermieter zu verlangen oder diese einseitig durchsetzen. Der Vermieter, welcher die Beträge einklagt, trägt das Risiko, dass der Mieter doch eine Unzumutbarkeit im Prozess beweisen kann. Auch zeigen die oben aufgeführten Entscheidungen des LG München I und des LG Mönchengladbach, dass es durchaus Gerichte gibt, die eine Mietanpassung/ Mietminderung zusprechen.

Ob und in welcher Höhe Mieter eine Anpassung des Mietvertrages in Form einer Anpassung der Miete oder einer Stundung verlangen können, wird weiterhin von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Maßgebliche Faktoren bleiben die konkrete wirtschaftliche Situation, der Umfang der erlittenen Umsatzeinbußen des Mieters, sowie Höhe und Zeitpunkt staatlicher Hilfen.



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